Peace, War and International Ordering

Vom 13. bis zum 18. Mai fand im Inter-University Centre (IUC) Dubrovnik die Vortragsreihe „Peace, War and International Ordering“ (Social Philosophy) statt. Leitung: Dragica Vujadinovic; David Rasmussen; Patrice Canivez; Hauke Brunkhorst

Lesen Sie im Folgenden Auszüge aus meinem Vortrag:

New Realities of Power without a New World Order?

Inter-University Centre Dubrovnik

Vor zwei Jahren wies ich in meinen Ausführungen auf die Bedeutung der vielfältigen, von der Sowjetunion und dann von ihrer Rechtsnachfolgerin, der Russischen Föderation, unterzeichneten Regelwerke hin (die Magna Charta der UN, die Charta von Paris als Schlussdokument der KSZE, der NATO-Russland-Grundakte etc.). Nach Ende des Zweiten Weltkriegs und dann des Kalten Kriegs bildeten sie die Grundlage für ein friedliches Zusammenleben und für partnerschaftliches Kooperieren. Sie zeigten zudem Wege auf, die erreichte Ordnung sukzessive zu verbessern. Die Einhaltung des Gebots der Achtung der staatlichen Integrität und Souveränität sowie des Verbots der Androhung oder gar Anwendung von Gewalt war und ist für diese Friedensordnung in Europa und weltweit essenziell. In diesem Kontext der Völkerverständigung entstanden vielfältige Institutionen mit Gesprächsforen (u. a. die OSZE, der Europarat), die sich der Aufgabe widmeten, ehemalige Kontrahenten zusammenzuführen und Verhandlungslösungen für neu entstandene Konflikte zu generieren.

Zum 300. Geburtstag von Immanuel Kant aus Königsberg wird in diesem Jahr vielfach an seine Idee vom ewigen Frieden erinnert. Der Philosoph spricht dabei von einer regulativen Idee zur Orientierung der geschichtlich Handelnden. Er verstand darunter jedoch keine Realitätsbeschreibung. Ihm war leidvoll bekannt, dass die Empirie in der Geschichte immer konfliktreich ist, viel zu wünschen übrig lässt und der reale Frieden von Kriegstreibern bedroht wird. Aber als Orientierung und Ziel von gemeinsamen Anstrengungen sei die Vision vom ewigen Frieden so vernünftig wie unerlässlich, so konstruktiv wie produktiv. Sich nicht an ihr zu orientieren, führt unweigerlich zur Destruktion und letztlich sogar zur Selbstauslöschung. Da Kant nicht von einem Ende der Geschichte und einer vollkommenen Friedensherrschaft ausging, würde er vermutlich der Notwendigkeit zugestimmt haben, die historisch bereits erkämpfte Friedensordnung (nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Alliierten und danach durch die Entspannungs- und Abschreckungspolitik des Westens und die Unabhängigkeitsbewegungen in den ehemaligen Staaten der Sowjetunion) zu schützen, um sie, wenn nötig, vor Angriffen verteidigen zu können.

Die Sowjetunion trat bereits 1945 zusammen mit der Ukraine und Weißrussland (Belarus) der UNO bei und wurde Mitglied des Sicherheitsrats. Doch schon in den Hochzeiten der regelbasierten Ordnung in Europa ließ ihre Rechtsnachfolgerin, die Russische Föderation, mit der Anwendung von Gewalt innerhalb und außerhalb der Föderation erkennen, dass sich der russische Präsident nicht mehr von den Verträgen leiten lässt, die im Namen der Friedensidee unterzeichnet wurden. Immanuel Kant hätte hier vermutlich den friedenswilligen Regierungen dringend geraten, die Maxime si vis pacem para bellum zu befolgen – frei übersetzt: „Wenn du den Frieden willst, bereite den Krieg vor“. Die Befolgung dieser Maxime, den Frieden durch Abschreckung zu erhalten, soll potenzielle Aggressoren davon abhalten, friedliche Staaten anzugreifen und ihr Territorium in ein Schlachtfeld zu verwandeln.

Kants Vorstellung, dass republikanische Staaten, in denen die Bevölkerung die Politik bestimmt und kontrolliert, weniger dazu neigen, Kriege anzuzetteln, gilt noch immer. In Autokratien (wie Russland, China, Iran) setzen die selbstgewiss agierenden Mächtigen ihre Machtpolitik an die Stelle von Recht, schalten möglichst alle Kontrollinstanzen aus und respektieren weder die unveräußerbaren und unteilbaren Menschen- und Freiheitsrechte ihrer Bevölkerung noch deren Interesse an einem allgemeinen Zugang zu Arbeit, Bildung und Wohlfahrt. Für die Machtpolitiker in autoritären Regimen gelten im Inneren Rechtsstaatlichkeit und in den internationalen Beziehungen rechtsgültig vereinbarte Verträge (etwa die Charta der Vereinten Nationen und Charta von Paris) nicht als Werte an und für sich, woran man sich, auch in Krisen, zu halten hat.

Bedauerlich ist, dass autokratischen Kriegsherren noch immer Verständnis entgegengebracht wird für ihr aggressives, terroristisches Vorgehen. Es wird gesagt, die bestehende Friedensordnung sei zu unvollkommen, Russland habe das Bedürfnis nach gesichertem Zugang zum Meer und zu Häfen oder das Regime leide an seinen Phantomschmerzen etc. Aus all diesen möglichen Anlässen erwächst jedoch keine Legitimität zur Androhung oder Anwendung von Gewalt gegen andere Länder oder Völker und dafür, die eigene Machtpolitik bedenkenlos gegenüber den Folgen des Handelns durchzusetzen statt auf der Basis des Völkerrechts Lösungen für Konflikte zu erarbeiten. Pacta sunt servanda.

Davon kann bei vielen Akteuren, die derzeit ihre Macht mittels Gewaltandrohung und offener oder verdeckter Gewaltausübung auf Kosten anderer Staaten ausbauen wollen, keine Rede mehr sein. Ich werde mich im Folgenden mit den bereits genannten Staaten (Russland, China, beide sind Mitglied im Sicherheitsrat, und dem Iran) befassen. Ihre strategischen Ziele sind darauf gerichtet, ihren Machtwillen an die Stelle der Geltung der regelbasierten Friedensordnung zu setzen. Diese Staaten verbindet die Ablehnung eines freiheitlichen Lebensmodells und die Aggression gegen den bisherigen Hüter dieser Ordnung, gegen die USA. Ihre Allianz (nun auch mit Nordkorea) zeigt sich in Verabredungen ihres Vorgehens, in der Unterstützung mit Waffenlieferungen, in forcierten wirtschaftlichen Beziehungen, im Werben um die BRICS-Staaten (besonders um Brasilien und Indien), in der Eurasischen Union und in der Ausdehnung ihres Einflusses auf die von Militärregimen geführten Länder der Sahelzone (Mali, Niger, Burkina Faso). Vor allem aber geht es um die Eskalation der strategischen Herausforderungen für die Amerikaner in Europa, im Nahen-Osten und in indopazifischem Raum. Keiner dieser Konflikte kann isoliert betrachtet werden.

Ich beginne zunächst mit dem großen Versäumnis des Westens gegenüber Russland und greife dabei nochmals auf meine Darstellung von vor zwei Jahren zurück. Allerdings zeige ich auf, dass der Blick von heute erweitert werden muss, denn die Ereignisse von 2014 stellten bereits einen strategischen Test für die Möglichkeit weiterer Eskalationen dar. Anschließend gehe ich auf die beiden anderen gewaltaffinen Staaten, auf China und den Iran, ein. Dabei stellt sich die Frage: Wodurch kann verhindert werden, dass die aktuellen und die potenziellen Aggressoren, die schon in den Startlöchern sitzen, gezügelt werden können? Denn sie erhoffen sich von den weltweit ausbrechenden Kämpfen große Vorteile. Mit Überlegungen dazu schließe ich meinen Vortrag ab.

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* Das allgemeine Gewaltverbot legt Artikel 2 Ziffer 4 der Charta der Vereinten Nationen fest: „Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.“

 

Autor: bender

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